Nisthilfen – für die Katz?
Werden Jungvögel flügge, beginnt die gefährlichste Zeit ihres Lebens – dann, wenn sie noch nicht fliegen können und als «Ästling» herumhüpfen. Oft riechen die Stubentiger den Braten und liegen längst auf der Lauer. Sind Nisthilfen deshalb für die Katz? Nein, meint Biologe Stefan Bachmann von Birdlife Schweiz. Im Interview erklärt er, wie man am besten vorgeht.
Schweizer Garten: Welche Vogelarten sind Ästlinge und welche können von Beginn an fliegen?
Stefan Bachmann: Von Beginn an aktiv fliegen kann kein Jungvogel. Doch sie können alle an einen Ort segeln, ohne Schaden zu nehmen. Wenn Küken schon vorher aus dem Nest fallen, sind sie völlig hilflos, da sie noch fast keine Federn haben. Sobald sie aber Federn haben und etwas flattern können, sind sie wohl nicht aus dem Nest gefallen, sondern ausgeflogen.
Ab wann können Jungvögel fliegen?
Sie üben das Fliegen in den ersten Tagen ausserhalb des Nests und können nach 2 bis 4 Tagen den Eltern nachfliegen.
Wie viele Jungvögel überleben, etwa bei den Kohlmeisen?
Gemäss dem «Handbuch der Vögel Mitteleuropas» sterben fast 80 % der ausgeflogenen Kohlmeisen im ersten Lebensjahr. Die Mortalität ist zu Beginn am höchsten und nimmt dann kontinuierlich ab.
Ist es ein Stress für die Eltern, wenn wir Menschen uns einmischen und versuchen, die Jungvögel zu beschützen?
Es war sicherlich ein Stress, aber manchmal ist das nötig, um die Jungvögel vor Katzen zu schützen. Was man jedoch nicht darf, ist die Jungvögel zum Schutz in einen Käfig zu sperren. Es ist ohne Bewilligung nicht erlaubt, Wildtiere einzusperren. Am besten ist es, wenn die Jungen von den Eltern geführt und gefüttert werden. Verletzte oder kranke Vögel bringt man in eine Pflegestation.
Sollte man die Nisthilfe besser an einem Baum oder in einer Hecke befestigen, wo die Vögel weniger exponiert sind als am Haus?
Die Hauptsache ist, dass möglichst keine Katzen oder Marder an den Nistkasten gelangen können. Man sollte ihn also in einer gewissen Höhe aufhängen. Besonders wichtig sind schützende Orte in der Umgebung, am besten räubersichere Dornensträucher, wo die Ästlinge sicher sind, und höhere Bäume.
Macht es überhaupt Sinn, Nisthilfen aufzuhängen, wenn sich viele Katzen im Garten aufhalten?
Wenn es viele Katzen im Quartier gibt, überleben sicher nicht alle Jungvögel. Einige haben Glück, je nachdem, ob sie sofort wegflattern oder sich an einem geschützten Ort aufhalten. Am besten wäre es natürlich, wenn Katzenbesitzer ihre «Jäger» in den wenigen Tagen mit hilflosen Jungvögeln im Haus behalten. Da aber auch viele Nachbarskatzen die Gärten aufsuchen, ist das wohl ein frommer Wunsch.
Wäre es eine Möglichkeit, die Nisthilfe auf dem Balkon anzubringen, wo die Brut besser vor Räubern geschützt wäre?
Wenn der Balkon während der Brutzeit ungestört ist, ist das eine gute Idee. Dumm wäre nur, wenn die Altvögel wegen Störungen nicht zufliegen könnten. Dann würden sie die Brut aufgeben. Ebenfalls zu beachten ist, dass Fensterscheiben oft Todesfallen für Vögel sind, und zwar dann, wenn entweder die Scheiben nicht gut zu sehen sind oder wenn sich etwa Büsche in ihnen spiegeln. Auf unserer Website steht, wie man das Problem entschärfen kann. Schliesslich sollte der Nistkasten nicht an der prallen Mittagssonne aufgehängt und auch nicht voll dem Regen ausgesetzt sein. Ein Platz, der ausschliesslich im Schatten liegt, ist auch nicht optimal. Und die Vögel müssen frei heranfliegen können.
Text & Foto: Stefanie Stäuble
Weitere Merkblätter zum Thema finden Sie hier: www.birdlife.ch
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