Winterwunderland aus Eis und Schnee
Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit wünschen wir uns Schnee, wie damals als Kind. Der Naturfotograf Martin Mägli hat sich für den «Schweizer Garten» in das Winterwunderland aus Eis und Schnee des Berner Oberlands begeben.
Es ist gefühlte −35 °C kalt, ein eisiger Wind weht uns um die Ohren. Ausser dem Wind und dem sanften Knirschen des Schnees unter unseren Schneeschuhen herrscht absolute Ruhe. Es ist noch Nacht, in der Dunkelheit suchen wir mit unseren Stirnlampen nach schönen Fotomotiven, die wir während des Sonnenaufgangs fotografieren wollen. Jede ungeschützte Stelle im Gesicht schmerzt, und die feinen Eiskristalle, die der Wind umherbläst, stechen wie Tausende spitze Nadeln auf der Haut. Im fahlen Licht der anbrechenden Dämmerung erscheinen um uns herum immer mehr tiefverschneite Tannen gespenstergleich aus dem Schwarz der Nacht. Es sind Bilder, wie man sie sonst eher aus Lappland kennt – wären da nicht die markanten Alpengipfel, die sich langsam, stets besser erkennbar, vom rosa Himmel abheben.
Unendliche Dankbarkeit
Obwohl es traumhaft schön ist und wir uns an dem überwältigenden Winterwunderland aus Eis und Schnee kaum sattsehen können, hindert uns die Kälte doch daran, einen längeren Augenblick innezuhalten und stillzustehen. So bleiben wir stets in Bewegung und ich stelle schon bald mit Schrecken fest, dass der Akku der Kamera bereits nach 20 Minuten kaum mehr Strom liefert. Deshalb beginne ich, alle paar Minuten einen warmen Akku aus der Hosentasche mit dem ausgekühlten in der Kamera auszutauschen. Das ist zwar etwas umständlich, aber immerhin ist das Fotografieren dadurch möglich. Als dann endlich die Sonne über den Horizont blinzelt und die verschneite Landschaft in ein Meer aus glitzernden Kristallen verwandelt, sind wir vollends verzaubert. Ein Gefühl von Glück, unendlicher Dankbarkeit und Freiheit macht sich breit und wärmt uns von innen.
Magische Bergwelten
Immer wieder gibt es neue skurrile Eisskulpturen zu entdecken, und auch die umherziehenden Nebelschwaden geben der Landschaft von Minute zu Minute ein neues, oft mystisches Aussehen. So merke ich kaum, wie die Zeit vergeht, denn mittlerweile steht die Sonne schon hoch am Himmel. Glücklicherweise ist es selbst am Mittag so kalt, dass unsere Fotomotive nicht schmelzen und weiterhin wie erstarrte Eissäulen in den blauen Himmel ragen. Diese extreme Kälte macht sich auch bei meinem Mittagessen bemerkbar: Das Sandwich ist steinhart gefroren und ich kann das völlig geschmacklose, eisige Etwas nur herunterschlucken, weil ich warmen Tee aus der Thermosflasche dabeihabe. Während der folgenden Stunden bleiben wir stets in Bewegung, um am Abend auch noch das Spektakel des Sonnenuntergangs fotografieren zu können. Leider sind solch extrem kalte Perioden mittlerweile auch in der Schweiz eine Seltenheit geworden, und so hoffe ich jedes Jahr auf die wenigen traumhaften Winterwundertage.
Zahlreiche Wildtiere
Im Berner Oberland gibt es etliche ausgeschilderte Schneeschuhwanderungen und an einigen Orten gut präparierte Winterwanderwege. Auch wenn es sehr verlockend ist, sich mit den Schneeschuhen abseits der offiziellen Pfade zu bewegen und seine eigenen Spuren in den frisch gefallenen Schnee zu ziehen, sollte man dies unbedingt vermeiden, um die Wildtiere nicht zu stören. Denn die Einsamkeit täuscht oft. Wenn sich auch weit und breit kein einziger Mensch zeigt, so ist die Winterlandschaft doch meist von zahlreichen Wildtieren bewohnt: Eine Gruppe von Gämsen sucht im Wald nach Essbarem, ein Reh ruht in einem Versteck, bevor es in der Dämmerung wieder aktiv wird, ein Alpenschneehuhn gräbt ein Loch in die Schneedecke, um Nahrung zu finden.
Mit Rücksicht unterwegs
Für diese und weitere Wildtiere ist der Winter eine schwierige Zeit, weil das Nahrungsangebot knapp wird und der Schnee die Fortbewegung mühsam macht. Die Tiere müssen deshalb sehr sparsam mit ihrer Energie umgehen. Nähert sich ein Schneeschuhläufer oder Tourenskifahrer, bleibt ihnen oft nichts anderes übrig als die rasche Flucht. Ist diese Begegnung überraschend, bricht schnell Panik aus und die Tiere können sich dabei verletzen. In jedem Fall verlieren sie kostbare Energie, die sie dringend zum Überleben brauchen. Doch keine Angst, auch wenn Sie auf der Piste bleiben, können Sie trotzdem traumhafte Wintertage erleben, wie wir auf den folgenden Seiten zeigen.
Text & Fotos Martin Mägli
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