Gartengeflüster: Herbstliche Problemzonen
Von Nord nach Süd: Im Briefwechsel «Gartengeflüster» tauscht sich die Gärtnerin und Autorin Alexandra Zöbeli aus Madetswil im Zürcher Oberland äusserst unterhaltsam mit der Gartenbuchautorin Annette Lepple aus, die im Wallis und in Südfrankreich lebt. Dabei verrät Alex, wie sie ihre Orange-Phobie überwunden hat und Annette erzählt von ihren Zuchterfolgen bei den Dahlien. Viel Vergnügen!
Liebe Annette
Wie recht du doch hast, es ist tatsächlich ein üppiges Hagebuttenjahr. Vermutlich haben die Vögel darum bereits den Vogelbeerbaum leer gefuttert, weil sie wissen: Das Buffet ist noch reichlich voll. Bei mir im Zürcher Oberland trägt die Rosa multiflora am meisten Früchte. Leider, muss ich sagen, denn sie wächst an einem maroden Holzzaun, der eigentlich nur noch von Efeu zusammengehalten wird. Kurz und gut, die Offerte vom Gärtner ist bereits eingeholt, jetzt sollte Frau sich nur noch überwinden, den Startschuss zu geben. Aber das ist nicht so leicht, wenn sie weiss, dass an dieser Stelle alle Pflanzen komplett runtergeschnitten werden müssen. Auch musste ich mich beherrschen, nicht schon bei der Begehung des künftigen Tatorts ständig auf die Füsse der beiden Gärtner zu schauen. Gärtner mit kleinen Füssen wären mir lieber, wenn ich daran denke, was sie alles niedertrampeln könnten. Überhaupt sollten Gärtner mit Flügeln auf die Welt kommen. So bräuchten sie keine Leiter und könnten nicht vom Baum herunterfallen … wo waren wir? Ach ja, bei dem Gemetzel, das am Zaun entstehen wird. Die Rosa multiflora steckt so einen Schnitt locker weg und fühlt sich dadurch wohl eher noch herausgefordert. Doch die Clematis ‘Arabella’ mit ihren zarten blauvioletten Blüten, die Rosen ‘Brother Cadfael’ und ‘Rosarium Uetersen’ sowie der Efeu sind da nachtragender. Beim Efeu herrscht gerade reger Flugbetrieb, da kann der Flughafen Zürich glatt einpacken. Natürlich ist Efeu lästig an Hauswänden – und manchmal ist er auch ein heimtückischer Mörder, wenn er seine Ranken um sensible Baumhälse legt. Man hat mir schon dringend geraten, die Bäume davon zu befreien. Habe ich bis jetzt noch nicht gemacht, denn Bienen und Hornissen lieben die Blüten und die Vögel schlagen sich später die Bäuchlein mit den Beeren voll. Du willst wissen, wie ich zu Orange im Beet stehe? Am Anfang meiner Gartenkarriere hatte ich eine Orange-Phobie. Das lag daran, dass unser altes Haus beim Einzug über ein orangebraunes Badezimmer und eine ebensolche Küche verfügte – es schien, als müsste ich das innerlich etwas länger verarbeiten. Seit ein paar Jahren kann ich diese Farbe aus meinem Garten nun nicht mehr wegdenken. Ich liebe zum Beispiel die orange Nelkenwurz (Geum), eine ideale Lückenbüsserin, die bei mir aber noch etwas wachsen muss, um die Lücke wirklich auszufüllen. Ich habe sie zusammen mit Rosa ‘Augusta Luise’ und Pflaumenduft-Iris (Iris graminea) gepflanzt. Eigentlich mag ich keine modernen Rosen, sie passen nicht in meinen Garten, in dem hauptsächlich englische oder alte Rosensorten wachsen. Der ‘Gusti’ konnte ich aber nicht widerstehen, ihre apricotfarbenen Blüten und vor allem ihr umwerfender Duft haben mich überzeugt. Ebenfalls knallbunt geht es im Asternbeet zu und her. Da blühen pinke, rosa und lila Astern völlig unbeeindruckt neben der Rose ‘Pat Austin’, die in einem warmen Orange daherkommt. Früher hätte ich gedacht, diese Farbkombination führe zu Augenkrebs, aber mittlerweile liebe ich dieses Herbstfeuerwerk. Die Samen des Pfaffenhütchens und der Sternmagnolien leuchten nun auch wieder knallorange. Beim Pfaffenhütchen lockt die leuchtende Farbe die Vögel an, die sie genüsslich verspeisen, aber bei der Sternmagnolie habe ich das noch nie beobachtet. Weisst du, weshalb das so ist? Nun ja, mein Kater trägt ja auch eine herbstliche Fellfarbe und wenn ich ihn frage, weshalb, schaut er mich wissend an: «Weil ich es kann.» Ja, Orange kann nicht jeder, aber jeder sollte es zumindest mal versucht haben.
Liebe Alex
Oh ja, Flügel hätte ich auch gerne! Dann könnte ich an der Hauswand entlangflattern und der Rosa banksiae zu Leibe rücken, ohne um mein Leben fürchten zu müssen. Du wirst es nicht glauben, aber wegen diesem «Monster» musste ich diese Saison ganze fünf Mal auf die Leiter … Wenn du den Zaun ersetzen lässt, empfehle ich dir einen Kastanienstaketenzaun. Vor vielen Jahren haben wir hier im Wallis den Garten zur Strasse hin damit eingefasst. Er ist sehr haltbar und perfekt für einen Landgarten. Efeu mag ich auch sehr, aber nicht am Haus oder im Beet, wo es beständig versucht, sich breitzumachen. An der Hauswand ist ohnehin kein Platz mehr – die Passionsblume macht deshalb schon Ausfallschritte in die benachbarten Beete. Nelkenwurz liebe ich ebenfalls, vor allem die orange Sorte ‘Totally Tangerine’. Leider kann sie grosse Hitze nicht leiden, weshalb sie in meinem Garten in Frankreich nicht so recht gedeihen mag. Im Wallis fühlt sie sich hingegen sehr wohl. Rosa multiflora hatte ich in meinem alten Walliser Garten gepflanzt und winke ihr stets über den Zaun zu, wenn ich vorbeilaufe. Sie ist wahrlich eine Schönheit und ich sollte wieder ein Plätzchen für sie finden. Derzeit bin ich am Zurückschneiden und Anbinden der Kletterrosen. Wenn ich nach getaner Arbeit mit blutigen Händen – mit Handschuhen hat man einfach kein richtiges Gefühl – und zerrissenem Pullover zum Haus zurückgehe, frage ich mich, was es mit dieser Faszination für Rosen wohl auf sich hat. Vielleicht gibt es ja eine Selbsthilfegruppe? In dieser Hinsicht zumindest ist die Banks-Rose harmlos. Auf jeden Fall freue ich mich, dass du Orange ebenfalls magst. Ein Garten ohne Gelb und Orange ist ein Irrtum. Pink, Rosa, Lila und Orange in einem Beet? Obercool! Ich glaube, Christopher Lloyd, der mittlerweile verstorbene Besitzer von Great Dixter, wäre begeistert. Momentan blühen hier die Astern in voller Pracht, von ihnen muss ich wirklich noch mehr pflanzen. Sie sind auch tolle Insektenmagnete. Eine Sorte war bereits im Garten, sie ist so gesund, wüchsig und trockenheitstolerant, dass ich sie schon geteilt habe. Sehr gern mag ich die Pyrenäen-Aster ‘Lutetia’ und die Cordifolius- Hybride ‘Little Carlow’, obwohl sie sich beide gern hinfläzen. Lustigerweise tauchen aber ganz neue Sorten an Stellen auf, wo ich keine gepflanzt habe. So etwa neben der Dahlie ‘Café au Lait’, was durchaus willkommen ist, denn bei ihrer Grösse ist sie dankbar für eine Stütze. Die Astern scheinen munter zu hybridisieren. Wenn mir ein Sämling nicht gefällt, entferne ich ihn. Apropos entfernen: Aus Erfahrung bin ich in dieser Hinsicht klug geworden und kann durchaus rabiat werden, wenn etwas zu sehr überhandnimmt. Im Gemüsegarten haben wir heuer eine Megaernte an Tomaten, Chili und Kürbissen. Chili verwenden wir den Winter über anstelle von Pfeffer, er schmeckt aber auch in Tomaten-Paprika- Marmelade, eine köstliche Beilage zu Käse. Ich habe bei den Sorten etwas über die Stränge geschlagen, sodass auch feurige Freunde von der Ernte profitieren werden. Der Kanadische Judasbaum (Cercis canadensis) läuft langsam zur Hochform auf. Ich habe angefangen, ihm den Transparenzschnitt zu verpassen. Darunter tummeln sich noch einige rosa Herbst-Anemonen, die sich trotz der staubtrockenen französischen Sommer weigern, aufzugeben. Wer weiss, wie der Garten der Zukunft aussieht? Ich beschäftige mich in weiser Voraussicht schon mal mit der Wüstenflora. Nur nicht gleich erschrecken, die ist durchaus vielfältig!
Liebe Annette
Heute ist ein Novembertag wie aus dem Bilderbuch: Die Wolken hängen tief über dem Zürcher Oberland, ein Nieselregen zwingt meinen Kater zu einem Nickerchen auf dem Bett, die Temperaturen liegen im einstelligen Bereich und der Boden ist gepflastert von bunten Blättern. Eigentlich ein Tag, um ihn im Haus zu verbringen. Aber hey, da warten zwei bedrohlich grosse Körbe voller Wäsche auf mich, die gebügelt werden wollen. Da schlüpfe ich lieber in die Gummistiefel und schnappe mir den Laubrechen. Schliesslich gibt es für uns eingefleischte Gärtnerinnen kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung … Dieser Schlachtruf hält genau 10 Minuten an, so lange dauert es, bis ich feststelle, dass ausser den Gummistiefeln keines von meinen Kleidungsstücken wetterfest ist. Nun ja, es gilt lediglich, die Blätter vom Rasen in die Hecke zu bugsieren, danach wartet eine schöne Tasse Tee auf mich. Apropos Hecke: In diesem Jahr habe ich es mir aufgrund von Zeitmangel und der Tatsache, dass auch ich leider nicht jünger werde, gegönnt, dem Gärtner den Schnitt zu überlassen. Du musst wissen, dass unsere Hecke rund ums Grundstück nichts für Zartbesaitete ist. Sie ist sozusagen unsere lebendige Schlossmauer, die uns gegen Eindringlinge verteidigt. Will man ihr zu Leibe rücken, geht das nicht nur mit einer Heckenschere, einem hübschen Körbchen zum Einsammeln des Schnittguts und einem Stündchen Zeit. Nein, diese Hecke ist der Bruce Willis unter allen Hecken und lehrt uns immer mal wieder das Fürchten. In ihr wachsen Thuja, Eibe, Weissdorn, Stechpalme, Flieder, Pfaffenhütchen, Geissblatt, Forsythie, Ahorn, Buche, Haselnuss, Schmetterlingsflieder, Buchs (oder das, was der Zünsler übriggelassen hat), diverse Sorten von Schneeball, Liguster, Zierpflaume, Mirabelle, Lorbeer, Ranunkelstrauch, Pfeifensträucher, wilde Rosen, Spiersträucher, Brombeeren und Weiteres, dessen Namen ich nicht kenne. Man kann durchaus den Eindruck erhalten, durch eine etwas unordentliche Abteilung einer Baumschule zu wandeln. Und nein, daran bin nicht ich schuld, denn ausser einem einzelnen Weissdorn in Erinnerung an einen Englandurlaub habe ich nichts davon gepflanzt. Und trotzdem liebe ich dieses bunte Chaos ebenso sehr wie unsere Vögel und Igel. Die Gärtner haben fast 3 Tage gekämpft, bis die Hecke wieder in Form gezwängt war. Im Vertrauen gestehe ich dir aber, dass es mir ein wenig wie beim Zahnarzt vorkam. Man kommt um die Behandlung nicht herum, aber es schmerzt gleich zweimal: wenn man auf dem Zahnarztstuhl sitzt und wenn man später die Rechnung erhält. Wie auch immer, die beiden Gärtner haben sich wirklich viel Mühe mit unserer Hecke gegeben. Sie haben sogar meinen Wunsch berücksichtigt und auch schon mal eine Kugel- oder Wellenform geschnitten. Ja, ich gebe es zu, die Männer haben wirklich einen tollen Job gemacht, aber es ist wie mit einer neuen Frisur: Ich muss mich erst daran gewöhnen. Aber weisst du was, Annette, obwohl ich mich jetzt so zimperlich anstelle, bin ich mir bewusst, dass kaum ein halbes Jahr vergehen wird, bis die grüne Hölle ihr Reich zurückerobert hat. Nach dem Schnitt ist eben auch vor dem Schnitt.
Liebe Alex
Derzeit bin ich im Farbentaumel. Im Wallis leuchten die Lärchen und Chriesibäume in den schillerndsten Gelb-, Orange- und Rottönen. Während ich mit unserem Hund durch die Natur streife, denke ich mir, toller kann es in Neuengland kaum sein. Auch mein Garten im Zentralmassiv lässt sich nicht lumpen und zieht nochmals alle Register. Zwar sind viele Gehölze noch in den Kinderschuhen, aber sie geben bereits einen Vorgeschmack. Zu meinen Lieblingen zählen Felsenbirne, Parrotie, Amberbaum, Zaubernuss und Lagerströmie. Viele Zaubernüsse färben sich goldgelb, aber ‘Winter Beauty’, ‘Diane’ und ‘Jelena’ verabschieden sich feurigrot. In den Zweigen hängen, wie beim Perlschweif (Stachyurus), dicke Knospen als süsse Versprechen. Bei der Vielfalt und Anzahl der Sträucher ist euer Heckenschnitt wahrlich eine grössere Angelegenheit. Bestimmt sieht sie nun wieder schmuck aus, und wie du sagst, wächst einem schnell alles wieder über den Kopf. Wie glücklich müssen Vögel und Insekten bei diesem reich gedeckten Buffet sein! An unserer Grundstücksgrenze vermischen sich Eichen, Mispeln, Wildrosen und Kastanien. In die Lücken stopfe ich Zweige, die Igeln, Vögeln und anderen Tierchen Unterschlupf bieten. Es gibt also keine Hecke als solche, dafür aber Laub in Mengen, und von nun an bin ich regelmässig mit dem Versorgen desselbigen beschäftigt. Da die Eichen ihr Laub nur ungern hergeben, zieht sich diese Aktion bis ins neue Jahr hin. Das Laub verteile ich um die Sträucher und auf den Beeten, ein Teil kommt auf den Kompost. Es schützt die Dahlienknollen, die ich in der Erde lasse, vor Frost. Es gibt nur einen Haken: Es bietet auch Schnecken Obdach, die sich im Frühjahr gierig und äusserst undankbar, wie ich finde, auf den zarten Neuaustrieb stürzen. Dieses Jahr fürchtete ich bereits, es werde keine Dahlie überleben, aber irgendwie haben sie die Attacke schliesslich überwunden. Apropos – seit 2 Jahren habe ich auch eine Baumdahlie (Dahlia imperialis), eine exotisch anmutende Schwester der Gartendahlien, die aber extrem spät blüht und bis zu 10 m hoch werden kann, allerdings wohl eher am Naturstandort. So ist sie nichts für Gegenden, in denen der Frost früh Einzug hält. Wenn sie blüht, ist es, als winkten einem Elfen mit rosa Taschentüchern zu. Nach monatelanger Trockenheit regnet es seit Kurzem reichlich – und alles ist wieder sattgrün. Selbst der Teich, in dem sich die Seerosen im Sommer verzweifelt ans Leben klammerten, hat sich wieder gefüllt. Sehr glücklich bin ich über die gelben Blütensterne der Goldkrokusse (Sternbergia), die ich am Fusse diverser Gehölze gepflanzt habe. Am Fuss deshalb, weil ich sie nicht aus Versehen abmähen möchte. Sie sind sehr genügsam, absolut trockenheitsresistent und aufgrund ihrer späten Blüte besonders willkommen. Dank des Niederschlags kann ich den Boden wieder bearbeiten, sprich: ich erwarte die Blumenzwiebelbestellung mit leiser Ungeduld. Trotz Krokusschwund – ich habe da Mäuse in Verdacht – werde ich erneut welche setzen. Was sind wir Gärtnerinnen doch für hoffnungsfrohe Wesen! Und noch mehr Hasenglöckchen (Hyacinthoides non-scripta), die sich wirklich gut machen und von den Ameisen «verpflanzt» werden. Sehr hübsch ist übrigens die Gewöhnliche Gartenhyazinthe (Hyacinthus orientalis), eine keineswegs gewöhnliche Wildform. Im letzten Brief schwärmte ich von den Dahlien – erinnerst du dich? Ich habe derweil mit ihnen ein echtes Wunder erlebt: Aus einer Liaison zwischen ‘Café au Lait’ und ‘David Howard’ ist eine atemberaubende Schönheit hervorgegangen. Die Blüten sind cremefarben mit einem Hauch von karibischem Sonnenuntergang und stehen über kompakten Trieben mit purpurgrünem Laub. Sie ist ein echter Star, ich habe sie nach einer Bloggerfreundin ‘Choris’ getauft. Dieses Jahr wollte ich bewusst Dahliensamen ernten und säen, weil es so spannend ist, was dabei herauskommt, und nun sind mir einige Sämlinge zuvorgekommen. Wusstest du, dass Dahlien bei Aussaat bereits im ersten Jahr blühen? Ein ideales Projekt für ungeduldige Gärtnerinnen! Ich weiss, Gärtnern lehrt Geduld, aber es ist auch nett, wenn man einmal nicht auf die Folter gespannt wird. An kühlen Tagen kommt unser Feuerkorb auf der Terrasse zum Einsatz, den wir aus einer alten Waschmaschinentrommel gebastelt haben. So geniessen wir diese herrliche Jahreszeit und schieben den Winterschlaf noch ein wenig hinaus.
Text & Foto: Alexandra Zöbeli und Annette Lepple
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