Gartengeflüster: Frühlingshafte Rosenratlosigkeit
Von Nord nach Süd: Im Briefwechsel «Gartengeflüster» tauscht sich die Gärtnerin und Autorin Alexandra Zöbeli aus Madetswil im Zürcher Oberland äusserst unterhaltsam mit der Gartenbuchautorin Annette Lepple aus, die im Wallis und in Südfrankreich lebt. Dabei geht es um «High Noon» im Rosengarten, eine totgeglaubte Glyzinie und Rudolf, das Hausreh. Viel Vergnügen!
Liebe Annette
Endlich ist der Frühling auch bei uns eingetroffen und ich könnte laut singend durch den Garten hüpfen. Den Nachbarn zuliebe lasse ich das aber lieber bleiben. Ich habe nicht schlecht gestaunt, dass deine Banks-Rose Mitte April schon Knospen trug. Ja, du lebst eindeutig im Süden, denn hier im Zürcher Oberland habe ich mich erst vor wenigen Wochen an den Schnitt meiner gut 70 Rosen gewagt. Auch in diesem Jahr fand ich mich etwas ratlos mit der Schere vor meinem ersten Rosenstrauch. Irgendwie erinnerte mich die Szene an den Western «High Noon» – zwei Gegner stehen sich zum Duell gegenüber: der Rosenstrauch, schwer bewaffnet mit Stacheln, und ich, bereit, die Schere just im richtigen Moment zu ziehen.
Es blieb aber keine Zeit, darüber nachzudenken. Schnipp, schnapp, autsch … Herrgottsakrament! Das Blut, das reichlich floss, erspare ich dir an dieser Stelle, auch die Dornen, die noch Tage später aus den Fingern herausoperiert werden mussten. Scherz beiseite, wenn ich jeweils vor den Rosensträuchern stehe, fällt es mir schwer, mich daran zu erinnern, was ich im Schnittkurs gelernt habe. Das liegt nicht nur daran, dass ich älter werde und mein Hirn anscheinend motiviert ist, seinem Idol, dem Salatsieb, immer ähnlicher zu werden. Vielmehr halten sich meine Rosensträucher optisch einfach nicht an die theoretischen Vorgaben. Daher folge ich zurzeit folgender Technik: Totholz rausschneiden und ansonsten, ungeachtet der Augen, so drauflos schnippeln, dass es der Strauchform gefällig ist. Bis vor dem Kurs hatte ich ja keine Ahnung, dass meine Rosen Augen haben! Die Vorstellung, dass ‘Charles de Milles’ und ‘Jacques Cartier’ mir aus ihren zahlreichen Augen zuzwinkern, wenn ich durch den Garten schlendere … aber lassen wir das. Viel mehr interessiert mich, welche Technik du beim Rosenschnitt anwendest. Oder wachsen bei dir etwa alles Ramblerrosen, die mit der Heckenschere gezähmt werden können? Meine Liebe, ich hoffe, dir bleibt trotz der vielen Frühlingsarbeiten im Garten auch etwas Zeit, diesen einfach zu geniessen. Gespannt warte ich auf weitere Frühlingspost von dir.
Liebe Alex
Ich musste herzhaft lachen beim Lesen deiner Zeilen, aber nicht aus Schadenfreude, sondern weil es mir genauso ergeht. Die vielen Regeln und Anleitungen machen oft nur unsicher. Ich schneide die Rosen im Laufe des Februars, nachdem ich die Kletterrosen bereits im Spätherbst in Form gebracht habe. Vor vielen Jahren besuchte ich einen Garten, in dem man den Rosen keinerlei Einhalt gebot. Das Ergebnis war ein Gestrüpp à la Dornröschen, dessen Anblick mich bis heute verfolgt. Ich und mein Mann sind uns da einig: Eine Rose kann man (fast) nicht killen, und man muss ihr regelmässig kräftig zu Leibe rücken. Ich sage mir ja immer, nun reicht es mit den stacheligen Ladys. Doch dann sehe ich wieder eine und denke, ohne sie kann ich nicht sein. Deshalb hielten jetzt noch zwei weitere Einzug: die Sorte ‘Weisse Immensee’ und Rosa cymosa. Ich empfehle dir, sie nicht nachzuschlagen, damit du nicht in Versuchung kommst! In meinem Walliser Garten schneide ich die Rosen im Herbst zurück, weil sie sonst unter der grossen Schneelast die Bögen plattmachen.
Ramblerrosen lasse ich nur noch an Stellen los, wo sie fröhlich in die Wildnis wachsen können, denn ihre enorme Wuchsfreude macht sie in kleinen Gärten mehr zur Last als zur Freude. Da empfehle ich immer Kletterrosen, die sich zu benehmen wissen sowie Mini-Rambler wie den ‘Little Rambler’. Kennst du den? Er ist herrlich und blüht im Gegensatz zu anderen Ramblern den ganzen Sommer über. Die Banks-Rose ist übrigens fast stachellos. Wenn die Rosen austreiben und Knospen bilden, ist hier Alarmstufe rot, da ich mit meiner Rosenliebe nicht alleine dastehe. Bei Rudolf, dem Hausreh, und seiner zahlreichen Verwandtschaft stehen die saftigen Knospen ganz oben auf dem Speiseplan. Um ihnen den Schmaus zu verleiden, giesse ich die Sträucher mit einer Spezialjauche aus Hühnermist und Urin. Diese Aktion ist zwar kein olfaktorisches Vergnügen, aber sehr effektiv. Inspiriert von einem Spanienurlaub sind wir derzeit dabei, den überdachten Sitzplatz hinter dem Haus beim Aussenkamin netter zu gestalten. Dafür baut mein Mann nun eine Anrichte mit integriertem Waschbecken aus den Steinen, die hier en masse herumliegen. Ich hoffe, deine Rosenpieks-Wunden sind derweil verheilt und du hüpfst weiterhin singend durch den Garten.
Liebe Annette
Verflixt noch eins! Natürlich habe ich deine beiden neuen Rosen nachgeschlagen und nun irre ich schon fast verzweifelt durch den Garten auf der Suche nach mehr Platz. Dabei muss ich bereits für ‘Emily Brontë’ noch ein Eckchen finden. In diese neue Rosenzüchtung von David Austin habe ich mich im letzten Jahr verguckt. Da mein Mann mit den Ramblerrosen auf Kriegsfuss steht, versuche ich, mich nur noch an die weniger wuchsfreudigen Strauchrosen zu halten (nein, es war wirklich keine Absicht, dass ich den Rambler ‘Paul Transon’ an die Brüstung seines Ateliergebäudes gepflanzt habe). ‘Paulchen’ entpuppte sich schon bald als mein Verbündeter, indem er versuchte, meinen Mann davon abzuhalten, seinen Hobbyraum aufzusuchen – oder zumindest piesackt er ihn mit seinen Stacheln auf dem Weg zu Ruhe und Frieden. Die Pflanzen haben mich gelehrt, dass ich lediglich Personal, nicht aber Chefin bin. Zum Beispiel schlägt in meinem Garten eine totgeglaubte und daher bestimmt bereits drei Mal ausgegrabene Glyzine immer wieder neu aus dem Boden aus. Da ich damals als Ersatz für den Glyzinenbaum eine Sternmagnolie gepflanzt habe, glaubte ich, für die Überlebenskämpferin keinen Platz mehr zu haben. Sie wiederum sieht das anders und schlängelt sich nun zum kugelförmigen Ahorn hinüber … aber wie gesagt, eigentlich habe ich in meinem Garten nichts zu melden.
Ganz im Gegensatz zu den Vögeln, die jetzt wieder munter von den Bäumen trällern. Gerade im Frühling liebe ich es ganz besonders, so nahe am Waldrand zu wohnen. Na schön, morgens um 5 Uhr, wenn die erste Amsel auf dem Baum vor dem Schlafzimmerfenster ihr Solo schmettert, wünschte ich mir manchmal schon einen Lautstärkeregler. Wenn ich ein paar Stunden später in den Garten hinausgehe, finde ich das Vogelkonzert wieder zauberhaft und wünschte, ich könnte verstehen, was da gerade gepfiffen wird. Obwohl, vielleicht ist es auch besser, sich die Illusionen zu bewahren, denn wie ich gehört habe, geht es auch bei den Piepmätzen um Machtgehabe und Rivalitäten. Dabei stelle ich mir viel lieber vor, wie die Mönchsgrasmücke von ihrem Urlaub im Süden erzählt, während die Spatzen-Gang sich gerade darüber amüsiert, wie Frau Star versucht, mit der Zeit zu gehen und wie ein Handy zu klingen. Der Buchfink findet, die Meise solle jetzt endlich den Schnabel halten oder zumindest mal ein anderes Lied anstimmen, dieses Gepiepe gehe ihm echt auf die Nerven. Das Rotkehlchen errötet, weil es ganz angetan ist von der schnittigen Figur von Herrn Kleiber, was den Specht dazu veranlasst, sich den Kopf gegen den Baum zu schlagen. Ich grüsse dich, von lieblichem Osmanthus-Duft umgeben, der mir dann doch lieber ist als das, was du über deine Rosen kippst.
Liebe Alex
Deine Vogelsanginterpretationen haben mich zum Lachen gebracht, ebenso wie die Schilderungen des Dornröschenturms deines Mannes. Vor Glyzinen habe ich einen Riesenrespekt, wenn ich sehe, was diese atemberaubenden Schönheiten Geländern und Regenrinnen antun. Bei mir steht sie deshalb als Hochstamm mitten im Beet. Übers Jahr wird sie zig Mal gestutzt, denn die Ranken wandern gut verborgen und klammheimlich jeden Sommer mehrere Meter über den Boden und sorgen für kurzzeitige Verwirrung, wenn sie an Stellen auftauchen, wo es weit und breit keine Glyzine gibt. Du siehst, ich lasse mir nicht alles gefallen. Täte ich’s, so wäre über kurz oder lang alles hier eine Wildnis.
Zeitmangel und Genussbedürfnis bewahren mich ihrerseits vor unnötigen Aktionen. Im Gegensatz zu vielen anderen Gärtnern nutze ich unsere Sitzplätze tatsächlich, denn ich finde, ein Garten ist zum Geniessen da. Die Sommerküche ist fertig und momentan in eine duftende Blütenwolke gehüllt. Der Rambler heisst ‘Brenda Colvin’ und zählt zu meinen Lieblingen. Aber sorry, du wolltest ja nicht mehr in Versuchung gebracht werden. Doch vielleicht habt ihr noch ein Plätzchen an der Garage, wo ‘Brenda’ deinen Mann morgens mit ihrem Duft für seine künstlerische Arbeit motivieren könnte? Ich sende dir herzliche Grüsse aus dem Rosenparadies!
Text & Foto: Alexandra Zöbeli und Annette Lepple
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